Aktualisiert! Vorläufige Handlungsempfehlungen zum Urteil BVerwG (4 CN 3.22) zu § 13 b BauGB

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Bauen, Stadt & Wohnen

Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) v. 18. Juli 2023 (4 CN 3.22) zu § 13b des Baugesetzbuchs- hier: vorläufige Handlungsempfehlungen des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen

In der Rechtssache 4 CN 3.22 hat das BVerwG am 18. Juli 2023 den verfahrensgegenständlichen Bebauungsplan, der im beschleunigten Verfahren nach § 13b des Baugesetzbuchs (BauGB) aufgestellt wurde, für unwirksam erklärt. Die Entscheidungsgründe des Urteils liegen noch nicht vor.

Laut der Pressemitteilung des Gerichts (Nr. 59/2023, https://www.bverwg.de/pm/2023/59) wird die Unwirksamkeit des Bebauungsplans damit begründet, dass § 13b BauGB mit dem Recht der Europäischen Union, genauer mit Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie), unvereinbar ist.

Unionsrechtswidrige Rechtsvorschriften sind zwar nicht nichtig, gleichwohl sind sie aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Den Anwendungsvorrang haben grundsätzlich sowohl die mitgliedstaatlichen Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden zu beachten; dies folgt aus Art. 4 Abs. 3 EUV (vgl. EuGH, Urteil v. 4.12.2018, C-378/17, Rn. 35-39). Die Unanwendbarkeit des § 13b BauGB bestand danach von Anfang an (ex tunc), wirkt sich also grds. auf sämtliche Planverfahren seit Einführung der Vorschrift aus.

Durch das Urteil des BVerwG wird zunächst allein der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Nur in dieser Hinsicht ist die Entscheidung allgemein verbindlich, § 47 Absatz 5 Satz 2 VwGO. Der Befund der Unionsrechtswidrigkeit entfaltet jedoch aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs Präjudizwirkung für sonstige Bebauungsplanverfahren nach dieser Vorschrift.

Da die Urteilsgründe noch nicht vorliegen, kann eine abschließende Auswertung der Auswirkungen der Entscheidung des BVerwG noch nicht erfolgen. Dieses Papier ist daher vorläufig und beschränkt sich auf Aussagen und Handlungsempfehlungen, die nach aktueller Sachlage getroffen werden können.

I. Bauplanungsrecht

Im Folgenden wird zwischen den Auswirkungen auf laufende und abgeschlossene Planverfahren sowie auf die (materielle) Vorhabenzulässigkeit unterschieden.

1. Laufende Planverfahren nach § 13b BauGB

Die Unanwendbarkeit des § 13b BauGB hat zur Folge, dass für die betroffenen 13b-Pläne im bisherigen Außenbereich keine anwendbare Rechtsgrundlage existiert, auf die die Aufstellung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren gestützt werden könnte. Nach § 13b BauGB begonnene und noch nicht durch Bekanntmachung des Bebauungsplans gemäß § 10 Absatz 3 Satz 4 BauGB abgeschlossene Planverfahren sind daher entweder abzubrechen oder auf ein anderes, in der Regel auf das Regelverfahren, umzustellen, für das sämtliche Verfahrensmodifikationen auf der Grundlage des § 13b BauGB nicht greifen.

Sofern ein Satzungsbeschluss bereits gefasst worden ist und der § 13b-Bebauungsplan einer Genehmigung durch die höhere Verwaltungsbehörde nach § 10 Absatz 2 BauGB bedarf, ist die Genehmigung zu versagen. Ebenso darf eine noch ausstehende Bekanntmachung nach § 10 Absatz 3 BauGB nicht erfolgen.
Bei der Umstellung auf das Regelverfahren sind alle Verfahrensschritte zu wiederholen, die aufgrund der Verfahrensmodifikationen des § 13b BauGB abweichend von den zwingenden Verfahrensvorschriften der §§ 1 ff. BauGB durchgeführt wurden, insbesondere ist die Durchführung einer Umweltprüfung samt Erstellung eines Umweltberichts nachzuholen. Soweit bisher auch auf die Prüfung eines Eingriffsausgleichs gemäß § 1a Absatz 3 BauGB verzichtet wurde, ist auch diese im Rahmen der Umweltprüfung nachzuholen. Der Plan ist unter Umständen anzupassen, ggf. durch einen nachträglichen Eingriffsausgleich, wenn dies nach dem Ergebnis der Umweltprüfung für eine gerechte Abwägung erforderlich ist.

Nach Erstellung des Umweltberichts ist in jedem Fall eine Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach den §§ 3 ff. BauGB durchzuführen, auch wenn eine solche Beteiligung zuvor bereits gemäß §§ 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Alternative 2, 13a Absatz 2 Nummer 1, 13b BauGB stattgefunden hat und sich die Inhalte des Plans auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der nachgeholten Umweltprüfung nicht oder nur unwesentlich verändert haben. Im Falle einer erneuten Auslegung ist gemäß § 4a Absatz 3 Satz 2 BauGB Gelegenheit zur Stellungnahme (nur) in Bezug auf die Änderung oder Ergänzung und ihre möglichen Auswirkungen zu geben; hierauf ist in der erneuten Bekanntmachung nach § 3 Absatz 2 Satz 4 BauGB hinzuweisen.

2. Abgeschlossene Planverfahren nach § 13b BauGB

Auch wenn Bauleitplanverfahren nach § 13b BauGB bereits abgeschlossen sind, kann sich die Unanwendbarkeit des § 13b BauGB möglicherweise auf die Wirksamkeit des Plans auswirken. Das zeigt bereits die Entscheidung des BVerwG, das den verfahrensgegenständlichen Plan im Rahmen der Normenkontrolle für unwirksam erklärt und aufgehoben hat.

Die Gemeinde dürfte zunächst zu prüfen haben, ob der Plan infolge der Aufstellung im Verfahren nach § 13b BauGB formelle oder materielle Fehler aufweist und inwieweit diese Fehler unter Berücksichtigung des Planerhaltungsrechts beachtlich sind.

Die vom BVerwG herausgegebene Pressemitteilung zur Entscheidung legt nahe, dass § 215 BauGB anwendbar ist. Danach wäre, falls der Bebauungsplan bereits mehr als ein Jahr in Kraft ist und die fehlende Umweltprüfung nicht im Sinne von § 215 Absatz 1 gerügt wurde, dieser Fehler unbeachtlich und der Bebauungsplan wirksam. Nähere Aussagen zur Anwendbarkeit des § 215 BauGB und dazu, nach welchen Maßgaben und in welchem Umfang Überprüfungen im Einzelnen durchzuführen sind, können mit der erforderlichen Rechtssicherheit jedoch erst nach sorgfältiger Auswertung der Entscheidungsgründe getroffen werden. Den Gemeinden wird daher geraten, zunächst diese Auswertung abzuwarten, bevor über den weiteren Umgang mit einem abgeschlossenen § 13b-Bebauungsplan entschieden wird.

3. Auswirkungen auf die (materielle) Vorhabenzulässigkeit

Bei § 13b BauGB handelt es sich um eine Regelung über das Aufstellungsverfahren von Bebauungsplänen. Die Vorschrift regelt daher nicht unmittelbar die Vorhabenzulässigkeit nach den §§ 29 bis 35 BauGB.

Bebauungspläne (auch solche nach § 13b BauGB) enthalten jedoch materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Vorhabenzulässigkeit. Insoweit wirkt sich die Unanwendbarkeit des § 13b BauGB auf die Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich von nach § 13b BauGB aufgestellten Bebauungsplänen jedenfalls dann aus, wenn der Bebauungsplan infolge der Anwendung des § 13b BauGB als unwirksam anzusehen wäre. Die Auswirkungen auf die Vorhabenzulässigkeit sind also akzessorisch zum Schicksal der Pläne. Entsprechend sind auch hierzu bis zur Auswertung der Urteilsgründe keine rechtssicheren Aussagen möglich.

Da allerdings feststeht, dass Planverfahren nach § 13b BauGB nicht unverändert zu Ende geführt werden können (s.o. I.1.), scheidet jedenfalls eine planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 33 Abs. 3 BauGB aus, soweit diese Vorschrift überhaupt für Bebauungspläne nach § 13b BauGB herangezogen wurde.

II. Bauordnungsrecht

Das Baugenehmigungs- und Genehmigungsfreistellungsverfahren sind landesrechtlich geregelt. Die Länder werden entsprechende Hinweise zum jeweiligen Landesrecht geben.